Wenn uns die Worte fehlen.
Die bekannte Trauerbegleiterin, Autorin und Dozentin Chris Paul hat unlängst in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung einige sehr wichtige Dinge gesagt, die ich gern zitieren möchte: „Ich möchte zwei Sätze nennen, die man keinesfalls schreiben sollte, nämlich: Melde Dich, wenn Du mich brauchst und Ich bin immer für Dich da. Man ist nicht immer da. Das ist eine leere Versprechung. Und der Gedanke, dass ein Mensch, der gerade in tiefer Trauer versunken ist, sich einfach meldet und um Hilfe bittet, ist ziemlich abwegig – sowas machen die meisten Leute nicht.“
Das hat gesessen, zumindest bei mir. Denn wider besseres Wissen habe ich diese Sätze sicherlich in den letzten Jahren immer wieder gesagt. In dem Wunsch etwas Tröstliches zu sagen und mit bester Absicht.
Aber sie hat recht. Ich weiß, dass das jetzt vermutlich genau in die Sorge trifft, die wir uns alle machen: was soll ich denn sagen und tun? Andere Menschen in Trauer zu erleben führt bei den meisten von uns zu einer großen Unsicherheit. Wir fühlen uns oft ohnmächtig, sind wort- und hilflos. Und das ist nachvollziehbar und verständlich.
Viele Trauernde haben mir im Gespräch erzählt, dass sie sich einsam fühlen. Sie wollen niemandem zur Last fallen und haben das Gefühl gemieden zu werden. Nicht unbedingt in den ersten Tagen und Wochen, aber oft nach ein paar Monaten. Nach einigen Jahren trauen sich viele nicht mehr zu sagen, dass sie immer noch trauern, weil sie das Gefühl haben, dass es niemand mehr hören mag. Viele Trauernde wollen oft gern über ihre verstorbenen Lieben sprechen, aber andere haben Angst mit Geschichten und Erinnerungen die Trauer wieder aufzuwühlen.
Was können wir aber tun, was können wir zu Trauernden sagen?
Zuerst einmal: es ist ok, wenn wir nicht wissen, was wir sagen sollen.
Denn genau das können wir sagen „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, es tut mir so leid, darf ich dich in den Arm nehmen?“
Das ist oft hilfreicher, als die Allgemeinplätze, die wir beigebracht bekommen haben. Wir können sagen: „Du darfst weinen, schreien, schimpfen, wenn Dir danach ist. Ich bin jetzt hier und höre zu.“
Auch „Du musst Dich nicht zurückmelden, ich möchte Dir nur sagen, dass ich an Dich denke.“ ist unterstützend.
Einfach Dasein, zuhören und gemeinsam schweigen ist oft auch eine sehr große Hilfe.
Trau Dich, den Namen der verstorbenen Person zu nutzen. Dieser Mensch wird ganz konkret betrauert und das darf auch benannt werden. Über die Verstorbenen sprechen zu können, ist für die Zugehörigen wichtig und zu vermeiden die Namen auszusprechen oder das Thema generell auszuklammern, macht den Verlust und die Trauer nicht ungeschehen. Im Gegenteil wirkt es oft eher wie eine Zurückweisung.
Das Einzige, was ungesagt bleiben sollte, sind vermeintlich hilfreiche Aussagen und Plattitüden wie „Es war eine Erlösung.“ oder „Das Leben geht weiter.“. Auch Ratschläge wie „Lenk Dich doch mal ein bisschen ab.“ oder „Jetzt muss aber mal langsam gut sein mit dem Trauern!“ bewirken das Gegenteil vom Gewünschten.
Das Einzige, was nicht getan werden sollte, ist den Trauernden aktiv aus dem Weg zu gehen und sie zu meiden.
Wie können wir da sein für die Trauernden?
Wir können gemeinsam schweigen, weinen, spazieren gehen, uns Geschichten anhören und selbst welche erzählen. Auch können wir in den Arm nehmen, Taschentücher reichen, Tee kochen, Kuscheldecken anreichen, bei den Trauernden übernachten, einkaufen gehen, Essen kochen, da sein und den Raum halten.
Wir können bei dem ganzen notwendigen Papierkram helfen, gemeinsam Fotos anschauen, Trauergruppen suchen, ganz konkret Zeiten oder Hilfe anbieten, die angenommen werden kann und nicht gekränkt sein, wenn es gerade nicht das richtige ist.
Es gibt viele Möglichkeiten, die die Trauernden unterstützen und ihnen Beistand geben. Gerade in der ersten Zeit ist Alltägliches wie sich etwas zu Essen machen, Wäsche waschen, einkaufen eine zusätzliche Belastung und Selbstfürsorge schwer.
Generell ist konkrete Hilfe oft leichter anzunehmen und auch anzubieten, als abstrakte und allgemeine Angebote.
Die Lieblingspizza vorbeibringen oder ein Essen, das auch eingefroren werden kann. Mit den Kindern auf den Spielplatz gehen und so den Eltern eine Pause ermöglichen. Helfen die Einladungen zur Beerdigung zu versenden oder gemeinsam in den Friedwald gehen und nach einem schönen Platz für das Grab schauen.
Trauer verändert sich, aber verschwindet nie ganz.
Wir können fragen, auch und gerade nach längerer Zeit „Möchtest Du erzählen? Wollen wir über deine Trauer, deinen lieben Menschen sprechen? Wollen wir Erinnerungen teilen?“.Wir können helfen Kleidung, Unterlagen, Nachlässe zu sortieren, zu renovieren, weil die Wohnung so nicht mehr gut ausgehalten werden kann. Wir können Ablenkung anbieten, die Trauernden einladen, gemeinsam in den Wald oder auf den Friedhof gehen….
An Jahres- und Festtagen anrufen oder die Trauernden einladen, etwas gemeinsam zu unternehmen kann eine große Unterstützung sein. Gerade diese Tage sind oft schwer, auch nach Jahren.
Gemeinsam sein, nicht allein gelassen und gemieden fühlen, sprechen und schweigen dürfen, wütend sein dürfen, lachen dürfen ohne schlechtes Gewissen, sich willkommen fühlen und immer wieder daran erinnert zu werden selbst noch einen Platz in der Welt, bei Freund*innen und der Gesellschaft zu haben – all das wünschen wir uns selbst in Situationen der Trauer und all das können wir auch geben.
Und wenn ich mich überfordert fühle?
Auch das ist verständlich und in Ordnung. Du darfst Dir selbst Hilfe und Unterstützung suchen, denn wir alle können nur im Rahmen unserer eigenen Kraft und Möglichkeiten für andere da sein. Selbstfürsorge ist wichtig, nicht umsonst haben professionelle Trauerbegleiter*innen und Therapeut*innen normalerweise Supervision, um sich selbst Unterstützung zu holen. Menschen in Krisenzeiten zu begleiten ist fordernd und kann belastend sein.
Du kannst Dich auch mit anderen Menschen aus dem gemeinsamen Freund*innen- oder Familienkreis zusammentun und ihr könnt gemeinsam überlegen, wie ihr unterstützen und euch gegenseitig stützen könnt.
Weil es ok ist, nicht ok zu sein und ebenso ok ist, unsicher zu sein und trotzdem da.
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