Abschied geht auch anders

Was ist möglich und erlaubt?

Die Zeit um Tod eines nahen Menschen ist oft geprägt von vielen Entscheidungen. Wir suchen nach Unterlagen, sprechen mit Bestattungshäusern, möglicherweise Pflegeheimen oder Krankenhäusern, brauchen Dokumente, Verfügungen, Versicherungen…

Dabei geht Abschied auch anders.

Was viele Menschen sich in dem Moment wünschen ist vor allem Zeit. Zeit, die Situation zu erfassen. Um zu weinen, sich in den Arm zu nehmen, Abschied zu nehmen Zeit um bei diesem besonderen Menschen zu verweilen, Kopf und Herz überhaupt erstmal nachkommen zu lassen.

Zwei Miesmuschelhälften mit der Perlmuttseite sichtbar, wie ein Herz hingelegt auf einem Bett aus gelbem Laub und Frühblühern.

Wir haben Zeit und dürfen sie uns auch nehmen!

Wir dürfen unsere Lieben bis zu 36 Stunden zuhause Aufbahren, wenn wir das möchten, um ganz in Ruhe Abschied nehmen zu können. Dafür dürfen wir sie aus Krankenhäusern und Pflegeheimen zu uns bringen lassen oder dort darum bitten vor Ort in einem ruhigen Raum noch Zeit mit ihnen zu haben. Wir dürfen beim Bestatter einfordern Zeit zum Abschiednehmen zu bekommen. Ebenso dürfen wir einen Abschied am offenen Sarg haben, wenn wir das möchten und nicht einige, wenige Ausnahmeregeln dagegensprechen.

Generell dürfen wir uns die Zeit nehmen in Ruhe Entscheidungen zu treffen zu und erwarten, dass unsere Wünsche im Rahmen des gesetzlich möglichen geachtet und umgesetzt werden. Wir dürfen die Lieblingskleidung der verstorbenen Person für die Bestattung raussuchen und den Lieblingslippenstift oder das After Shave. Auch können wir eine Kremierung und Bestattung im Ausland machen lassen (was einige Möglichkeiten eröffnet, die in Deutschland aktuell nicht erlaubt sind). Wir dürfen Überurnen auswählen, die wir selbst schön finden (solange sie den Vorschriften hinsichtlich Materials und Größe entsprechen) und sie dem Bestattungshaus geben. Ebenso dürfen wir die Aschekapsel, die verschlossene Urne, in der die Asche nach der Kremierung herausgegeben wird, einfach nur in ein schönes Tuch hüllen.

Wir dürfen Entscheidungen treffen und erwarten, dass sie erfüllt werden

Wenn seitens der Bestattungshäuser gedrängelt oder sogar den Wünschen entgegengehandelt wird, dürfen wir uns umentscheiden und ein anderes Haus wählen, jederzeit. Wir können frühzeitig mit Bestatter*innen in Kontakt treten und offen und ehrlich über unsere Vorstellungen und Wünsche sprechen. Dürfen schauen, ob es passt oder wir uns weiter umsehen, vielleicht auch bei reisenden Bestatter*innen oder in anderen Bundesländern. Wir dürfen die Bestatter*innen fragen, was bei ihnen zur Totenversorgung gehört, welche Methoden genutzt werden und entscheiden, ob wir manches davon nicht möchten. Ebenso dürfen wir fragen, ob wir bei der Versorgung helfen dürfen, wenn wir das möchten. Auch dies bei unserer Entscheidung für oder gegen ein Bestattungsunternehmen berücksichtigen.

Wir dürfen in einer schriftlichen Bestattungsverfügung die Wünsche für unseren eigenen Abschied festhalten, damit alles in unserem Sinne geschieht.

Wenn uns die häufig knappe, vorgegebene Zeit in Friedhofskapellen nicht reicht, dürfen wir andere Orte für Lebensfeiern suchen und uns dort die Zeit und den Raum nehmen, den wir brauchen. Abschiedsfeste feiern, Trauerfeiern im Garten oder im Lieblingscafé abhalten, gemeinsam singen und Raum einfordern – all das können wir tun.

Wir dürfen tröstende Rituale für uns finden und andere dazu einladen, gemeinsam Erinnerung teilen und schaffen, miteinander und füreinander da sein.

Wir dürfen uns aussuchen, wer über unsere Verstorbenen spricht oder auch selbst über unsere Lieben erzählen. Bei professionellen Redner*innen dürfen wir erwarten, dass sie sich Zeit für die Gespräche nehmen, individuelle Worte finden und sich nach unseren Wünschen richten.

Denn Abschied geht auch anders, es ist viel mehr erlaubt, als wir denken und aus dieser Fülle dürfen wir schöpfen.

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